Moskauer Deutsche Zeitung
YouTube „degradiert“, niemand protestiert
Nach Angaben von Mediascope hatte YouTube im Juni 2024 monatlich 95,6 Millionen Zuschauer in Russland, das sind 78,5 Prozent der russischen Bevölkerung. Die Nachricht über eine radikale Verlangsamung des Dienstes hat dennoch keinen Skandal ausgelöst. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich.
YouTube wird in Russland peu à peu ausgebremst.
In den russischen Medien wird schon seit Langem über eine mögliche Sperrung von YouTube diskutiert, aber jetzt haben die Behörden den Worten Taten folgen lassen. Der Parlamentsabgeordnete Alexander Chinschtein, Leiter des Ausschusses für Informationspolitik, teilte der Öffentlichkeit mit, was passieren wird und wie. Am 25. Juli warnte er auf Telegram, dass „bis zum Ende dieser Woche die Downloadgeschwindigkeit von YouTube auf Desktop-Computern um 40 Prozent und bis zum Ende der nächsten Woche um 70 Prozent sinken könnte“.
Chinschtein erklärte auch, dass eine solche „Degradierung“ von YouTube ein erzwungener Schritt sei, der sich nicht gegen russische Nutzer richte, sondern gegen das Management der ausländischen Ressource. Das glaube nämlich, dass es „ungestraft gegen unsere Gesetze verstoßen und sie ignorieren kann“.
„Zur Hölle damit“
Die Vorwürfe der russischen Behörden an die Video-Hosting-Webseite sind hinlänglich bekannt. Seit 2020 hat YouTube den Zugang zu 207 Kanälen aus Russland eingeschränkt; allein in diesem Jahr zählte die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor 83 solcher Sperrungen. Gleichzeitig weigert sich YouTube, Clips zu entfernen, die in Russland verbotene Inhalte über die „Sonderoperation“ und LGBT* verbreiten.
Hochrangige Beamte stimmten dem Schritt eilig zu. Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow kommentierte die Nachricht über die „Degradierung“ von YouTube: „Zur Hölle damit, abschalten und es wird uns leichter fallen.“
Nicht alle YouTube-Nutzer sind dieser Meinung. Die meisten jedoch sind weder überrascht noch empört über die weiteren Einschränkungen im Netz. Wenn sich jemand zu den Geschehnissen äußert, dann sind es meist Ratschläge und Anleitungen, wie man das neue Problem umgehen kann. Warum protestieren, wenn man mit einfachen Mitteln dafür sorgen kann, dass „alles wieder so ist wie früher“, wie die Verfasser solcher Anleitungen schreiben. Dies scheint der meistgehegte Wunsch der Russen zu sein. Die Dinge so zu haben, wie sie früher einmal waren.
* Die „internationale LGBT-Bewegung“ ist in Russland als extremistisch eingestuft und verboten.
Igor Beresin
Aug 2024
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